Erste Podiumsdiskussion der Klimawahl 2021 im Rückblick: „Klimagerechtigkeit – Die Justiz hat gesprochen, was macht die Politik?“

Ein Beitrag von Lea Brockhoff (Praktikantin des fesa e.V.)

Im Rahmen der Bundestagswahl 2021 laden über 20 Freiburger Initiativen zur Podiumsdiskussions-Reihe “Klimawahl 2021” mit Kandidierenden der Parteien Bündnis 90/Die Grünen, CDU, Die Linke, FDP, SPD und Volt aus dem Wahlkreis Freiburg ein.

Am 05. Juli 2021 fand die erste online Veranstaltung unter der Thematik „Klimagerechtigkeit – Die Justiz hat gesprochen, was macht die Politik?“ statt. Vor etwa 90 Zuhörer:innen bei Zoom und im YouTube Livestream diskutierten anwesende Kandidierende Chantal Kopf (Bündnis 90/Die Grünen), Anna Rasputina (Volt), Tobias Pflüger (Die LINKE), Claudia Raffelhüschen (FDP) und Gabi Rolland (i.V. für Julia Söhne, SPD). Ehrengast war Prof. Dr. Dr. Felix Ekardt, Hauptinitiator der erfolgreichen Klimaklage, dessen Einblicke und Anreize Grundlage für die abschließende Diskussion legten.

Die Veranstaltung gliederte sich in mehrere Themenblöcke, moderiert von Jonas Bauschert des Eine-Welt Forums Freiburg. Die nach jedem Themenblock integrierten Fragen und Anmerkungen seitens der Zuhörer:innen an die Kandidierenden sorgten für eine thematische Vertiefung und eine interaktive Podiumsdiskussion innerhalb dieses online Formats.

Nach anfänglicher Definition von „Klimagerechtigkeit“ und „Generationsgerechtigkeit“ durch die Kandidierenden, wurde im Rahmen des ersten Themenblocks ein kollektives Verständnis dieser Begrifflichkeiten als Grundlage der Veranstaltung niedergelegt. Zunächst lässt sich „Klimagerechtigkeit“ auf der globalen Ebene verordnen; obgleich Länder des Globalen Nordens die größten CO2-Emittenten sind, so sind sie vor den Folgen und Auswirkungen des Klimawandels am besten geschützt. Länder des Globalen Südens tragen am wenigsten zu Treibhausgasemissionen bei, sehen sich klimabezogenen Risiken jedoch überproportional exponiert und sind dabei schlechter geschützt. Eine weitere Ebene ist die soziale. Die Wohlhabenden der Gesellschaft stoßen am meisten CO2 aus, während der ärmere Teil der Bevölkerung der leidtragende ist. Die „Generationsgerechtigkeit“ beschreibt den Zustand, dass diejenigen klimabezogenen Belange, die von der gegenwärtigen Politik versäumt werden, gezwungenermaßen von künftigen Generationen ausgehandelt werden müssen. „Die Freiheitsrechte der jungen Menschen heute werden durch eine zu lasche Klimapolitik gefährdet.“, so Leon Janas der BUNDJugend über die Quintessenz der Klimaklage vor dem Bundesverfassungsgericht, die sich genau mit jener Frage der Generationsgerechtigkeit auseinandersetzt. In einer darauffolgenden Stellungnahme erläuterten die Kandidierenden ihre Pläne, die Verantwortung nicht auf künftige Generationen abzuwälzen und nicht auf deren Kosten zu leben.

Besonderer Fokus der Partei Bündnis 90/ Die Grünen liegt laut Chantal Kopf auf der Reformierung der Schuldenbremse zur Möglichkeit staatlicher Investitionen in den Bereichen Klimaschutz und öffentliche Infrastruktur. Alle Gesetzesvorhaben sollen künftig einer Klimaverträglichkeitsprüfung unterzogen werden, der CO2-Preis höher und sozial gerechter gestaltet werden und eine Mobilitäts- und Bauwende erreicht werden. Zusätzlich zu einer Anpassung der Schuldenbremse sieht Anna Rasputina von Volt die Digitalisierung als entscheidenden Treiber, Prozesse schnell und effektiv voranzutreiben. Für Tobias Pflüger (die LINKE) steht das Anerkennen der Klimasituation und eine nicht verhandelbare Verbindlichkeit des Erreichens der Klimaziele an erster Stelle, hierbei insbesondere die finanzielle Verantwortlichkeit der Verursachenden (bspw. Großkonzerne). Für Gabi Rolland, welche in Vertretung für Julia Söhne für die SPD erschien, seien zum Erreichen der Klimaziele besonders Einsparungen im Verkehr – Stichwort Tempolimit – sowie der Ausbau der erneuerbaren Energien relevant. Klimaschonende Technologien zu fördern, Innovationskraft anzutreiben und in Entwicklung zu investieren steht für Claudia Raffelhüschen der FDP an oberster Stelle. So sollen laut Raffelhüschen marktwirtschaftliche Instrumente eingeführt werden, die Anreize für Unternehmen setzen, solche Technologien zu entwickeln.

Im anschließenden Themenblock der globalen Gerechtigkeit führte Virginia Sonntag-O‘Brien von CO2 Abgabe e.V. in die Thematik ein. Aufbauend auf dem Prinzip der gemeinsamen aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten, so manifestiert im Pariser Klimaabkommen, richtet sich Frau Sonntag-O’Brien an die Kandidierenden: Wie kann diese globale Verantwortung zur Bekämpfung der Klimakrise gerecht verteilt werden? Wie könne die Lasten bzw. Kosten gerecht zwischen allen Ländern aufgeteilt werden und wie können die Chancen, die ein klimafreundliches, neugestaltetes Wohlstandmodell bietet, gerecht verteilt werden, damit die Länder im Globalen Süden daran teilhaben können?

Seitens der FDP-Kandidatin wurde die Dringlichkeit des technologischen Fortschritts für CO2-armes Wirtschaften und die Setzung finanzieller Anreize um dies zu beschleunigen, betont. Auch sei die Verwendung sogenannter CO2-Zertifikate als kontrollierte Erlaubnis der CO2-Emission ein wirkungsvolles Instrument. Dem jedoch widersprach die Vertreterin der SPD, vielmehr seien gemeingültige CO2-Preise effektvoll. Chantal Kopf wiederum setze u.a. auf Entwicklungszusammenarbeit und einen Verursacher-Fonds auf UN-Ebene. Anna Rasputina (Volt) setzt im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit starken Fokus auf Bildung und Wissensweitergabe für ein autarkes Umgehen mit neuen Technologien und Maßnahmen.

Dritter Themenbereich ist die soziale Gerechtigkeit. Eingeleitet von Maira Diaz von BUNDJugend wurde den Zuhörenden zunächst der grundlegende Zusammenhang zwischen Klima- und Umweltschutz und sozialer Gerechtigkeit erörtert: „Nur ein ambitionierter Klimaschutz wird es jetzt und in der Zukunft ermöglichen, die Existenzgrundlage einer sozial gerechten Gesellschaft aufrecht zu halten“, so Diaz. Soziale Gerechtigkeit ist ohne Klimagerechtigkeit nicht möglich und so forderte Diaz die Kandidierenden zu weiteren Stellungnahmen auf: Welche Maßnahmen würden Sie vertreten, um vor dem Hintergrund der sozialen Gerechtigkeit die größten Emittenten auch zur größten Verantwortung zu bringen? Welche Mechanismen würden Sie einsetzen, um die ökologische Transformation an eine gerechte soziale Transformation zu koppeln?

Für Raffelhüschen (FDP) liegt auch in diesem Themenblock weiterhin der Fokus auf dem Ausbau von Technologien und der Förderung von Entwicklungen. Ein effizienter Umgang mit Ressourcen bildet für Rasputina (Volt) einen wichtigen Grundbaustein gerechter Klimapolitik. Großes Potenzial sei hier der Ausbau des ÖPNV, für Tobias Pflüger (die LINKE) sind es Veränderungen im Bereich Ökosteuer, Energiegesetz, und Emissionshandel. Kopf sei die Anwendung einer Maßnahmenkombination besonders wichtig. Hierbei erwähnt sie das Konzept des Energiegeldes, wodurch Einnahmen aus dem CO2-Preis gerecht an Bürger:innen zurückgegeben werden. Innerhalb eines transformativen Paradigmenwechsels einer gerechten Sozialpolitik sei auch ein Blickpunkt auf Qualifizierung und Weiterbildung im Bereich der Arbeitsagenturen sowie auf einer Kindergrundsicherung und Mindestlohnanhebung zu legen. Das Verursacherprinzip wird auch von Rolland (SPD) als wegweisendes Konzept erachtet. Ressourcen seien zwischen dem Globalen Norden und Süden zu verteilen, Handelsbeziehungen seien sozial gerecht und klimaschonend aufzustellen.

Ein anschließendes Interview mit Herrn Prof. Dr. Dr. Ekardt, maßgeblicher Initiator der Klimaklage, gab einen tieferen Einblick in die Kernaussage, Bedeutung und Chancen des Gerichtsurteils des Bundesverfassungsgerichts. Geführt wurde dieses Interview von Julia Hein der BUNDJugend. Besonders nuancierend für diese Veranstaltung waren Ekardts Gedanken, wie es in Zukunft auf Basis dieser Klimaklage weitergehen kann: Was bedeutet das Urteil konkret für die Politik, wird eine Verpflichtung ernst genommen und wie könnten weitere rechtliche Schritte eine stärkere Verantwortung in der Politik gegenüber Thematiken der Klimagerechtigkeit und Generationsgerechtigkeit ausprägen? Diese Anreize, sowie Ekardts Visionen über eine klimagerechte Zukunft gaben Anstöße für abschließende Statements seitens der Kandidierenden zu ihren eigenen Zukunftsvisionen, bezogen auf  die Veranstaltungsinhalte der Klimawahl 2021 Veranstaltung.

Anna Rasputina (Volt) wünsche sich eine Klimapolitik, die nach dem Prinzip handelt, die Lebensgrundlage gegenwärtiger und zukünftiger Generationen weltweit nicht zu rauben und Lebensräume zu erhalten. Tobias Pflüger (die LINKE) äußerte sich zu seinem Verständnis zukunftsträchtiger Klimapolitik folgendermaßen: „Mein Verständnis von Politik ist nicht das, dass diejenigen die im Bundestag sitzen nachher die Politik sind, sondern die Politik sind in meinem Verständnis alle“. Laut dem Kandidierenden übe die Partei nicht nur selber den nötigen Druck aus, sondern sehe soziale Bewegungen ebenso als wichtigen Bestandteil bei dem Erreichen der Klimaziele. Für Chantal Kopf (Bündnis 90/Die Grüne) muss das CO2-Budget weiterhin strikt eingehalten werden, ein globaler CO2-Preis sei ein starkes Ziel. Auch der Ausbau erneuerbarer Energien und Kreislaufwirtschaft seien wichtige Fokuspunkte für eine Zukunft im Rahmen der planetaren Grenzen. Claudia Raffelhüschen (FDP) vertritt die Meinung, dass Klimafragen nur durch technischen Fortschritt gelöst werden können und dies soll nicht nur auf europäischer, sondern globaler Ebene erreicht werden. Sowohl eine Kreislaufwirtschaft als auch die Konzentration und somit möglichst wenig Flächen- und Ressourcenanspruch wirtschaftlichem Handeln bilden eine wichtige Grundlage der Klimapolitik, so Raffelhüschen. Die SPD handle unter den Grundsätzen Gerechtigkeit, Solidarität und Freiheit. Konkret sind laut Rolland verpflichtende Wärmeplanungen für Städte und Kommunen und die Förderung erneuerbarer Energien geplant, ein sogenannter CO2-Schattenpreis für alle öffentlichen Beschaffungen, um der CO2-Belastung einen Preis zu geben werde diskutiert.

Trotz teils abweichender Ansichten und Pläne zum Erreichen der Klimaziele herrschte ein respektvoller Umgang miteinander. Fest steht: Die Bundestagswahl 2021 ist eine Klimawahl, die Herausforderungen an die Politiker:innen sind enorm! Die Herangehensweisen sind jedoch teilweise sehr unterschiedlich und ob sie ausreichend sind fraglich. Wer sich selbst ein Bild von den Ansichten und Plänen der Kandidierenden machen möchte, kann sich die gesamte Veranstaltung hier auf unserem YouTube Kanal anschauen.

Die nächste Veranstaltung der Klimawahl 2021 Podiumsdiskussionsreihe findet am 13.07 statt und steht unter dem Thema „Wie wollen wir in Zukunft wirtschaften?“

Eine Anmeldung zu dieser öffentlichen Veranstaltung ist erforderlich. Anmeldemöglichkeiten und Informationen zu allen weiteren Veranstaltungen findet ihr hier auf der waehlbar 2021 Homepage für die Freiburger Veranstaltungsreihe. Auch ohne Anmeldung können alle Veranstaltungen als Livestream auf dem fesa YouTube-Kanal verfolgt werden.

Zum online Beitrag „Beim Klimaschutz herrscht in Freiburg weitgehend Einigkeit“ von Anja Bochtler in der Badischen Zeitung über die erste Podiumsdiskussion klicken Sie hier.

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