Wem gehört die Energiewende?

15. Oktober 2015

 

Erfreulich: Über 100 Gäste fanden an einem verregneten Dienstagabend (6.10.15) den Weg ins Freiburger Vorderhaus, um einer Podiumsdiskussion zum Thema „Wem gehört die Energiewende“ zu lauschen. Die Hoffnungen auf eine spannende Unterhaltung wurden nicht enttäuscht, denn auf der Bühne saßen mit Andreas Renner von der Energie Baden Württemberg AG (EnBW) und Sebastian Sladek von den EWS zwei  Akteure mit deutlich unterschiedlichen Auffassungen.

 

Der Energie-Journalist Bernward Janzing und der Erneuerbare-Energien-Investor Jens Mühlhaus von der Green City Energy AG komplettierten die Runde. Die Moderation übernahm Marissa Walzer vom fesa e. V.

Angesprochen auf die Energiewende monierte Bernward Janzing gleich zu Beginn, dass die Kohlekraftwerke unverändert weiter liefen, obwohl Deutschland in diesem Jahr dank der Erneuerbaren Energien so viel Strom exportiert habe wie noch nie. Der EnBW-Stratege Renner, dessen Unternehmen erst vor zwei Wochen ein neues Kohlekraftwerk in Betrieb genommen hat, lobte dieses Projekt als „sehr effizient“ und hob an mehreren Stellen die Notwendigkeit seines Konzerns für die Versorgungssicherheit und Systemstabilität hervor.

Das sah Sebastian Sladek von den EWS deutlich anders: „Wenn Ihr Vorstandsvorsitzender Herr Mastiaux das mit der Energiewende und dem Klimaschutz ernst gemeint hätte, hätte er den Bau des Kohlekraftwerks sofort stoppen müssen.“ Kohlekraft sei nicht nur klimaschädlich, sondern auch inkompatibel zu den Erneuerbaren Energien. Der Stromrebell in zweiter Generation, wie ihn die Moderatorin vorgestellt hatte, forderte mehr dezentrale Eigenerzeugung und Investitionen in Speichertechnologien. „Aber da kommt von Ihnen nichts!“, warf er der EnBW vor.

Mit dem Verweis auf Industriezweige, die aufgrund steigender Strompreise um ihre Konkurrenzfähigkeit bangten, rief Renner auch im offenbar gut informierten Publikum Empörung hervor. Sladek dazu: „Die Großverbraucher haben sich ihrer Solidarität entledigt.“ Die privaten Haushalte würden die Industrie subventionieren, welche von den günstigen Strompreisen durch die Erneuerbaren Energien profitiere, ohne sich an deren Finanzierung zu beteiligen. Sladek forderte: „Gleiche Spielregeln und Kostenwahrheit – wenn ich das habe, lasse ich mich mit der EnBW auf jeden Wettbewerb ein.“

Janzing brachte mit der Forderung nach einer nationalen CO2-Steuer eine Idee ins Spiel, die die Strompreise steigen lassen und Verbraucher zu effizienterer Energienutzung anregen könnte. Renner überraschte mit seinem Zuspruch, bezog sich allerdings auf die europäische Ebene, wo die Einführung von CO2-Zertifikaten bislang als gescheitert angesehen werden muss.

Jens Mühlhaus kam dann auf zunehmende Schwierigkeiten bei der Finanzierung von Bürger-Energieprojekten zu sprechen: „Hier findet eine Gesetzgebung statt, die alles Kleinteilige verkompliziert.“ Renner mochte dies nicht negieren, befand aber. „Wir machen es im Großen ähnlich wie Sie im Kleinen.“

Damit war die Diskussion beim umstrittenen Thema Windkraft angelangt. Renner berichtete vom gerade fertig gestellten großen Offshore-Windprojekt Baltic 2, für das die EnBW „nur noch die Leitungen“ bräuchte. Er bekräftigte: „Wir wollen auch weiterhin Kraftwerke in solchem Stil bauen. Offshore ist etwas, was wir können.“  Woraufhin Sladek sogleich konterte: „Nur wohnen an Nord- und Ostsee so wenig Verbraucher.“ Er befand Offshore-Wind als  „völlig überfördert“ und nur etwas für große Player im Energiemarkt. Renners Behauptung „Es gibt Kraftwerke, mit denen wir früher deutlich mehr verdient haben“ nahmen ihm die Zuschauer allerdings sofort ab.

Dann brachte Sladek einen weiteren wichtigen Aspekt in die Diskussion ein: „Da draußen, wo die Bürger die Windräder nicht sehen, müssen sie sich auch wieder nicht damit auseinandersetzen, woher der Strom kommt. So kriegen wir die Energiewende nicht gewuppt!“ Man müsse auch im Schwarzwald und in allen anderen Regionen die Windkraft ausbauen und die Bürger vor Ort beteiligen. Der Vorstand vom Öko-Investor Green City Energy merkte an, dass es auch wichtig sei, Kommunen in Windprojekte einzubinden. Dem stimmte Renner prinzipiell zu.

So erkläre sich auch das Engagement der EnBW um die Übernahme des insolventen Windparkbetreibers Prokon vor zwei Monaten. Diese war trotz massiver Werbung durch die EnBW letztlich an der Entscheidung der Gläubiger gescheitert, die sich für das Weiterbestehen von Prokon durch Umwandlung in eine Genossenschaft aussprachen. Janzing befand, dass dies „ein tolles Signal an das ganze Land war: Bürger haben gesagt, wir wollen das Ding retten.“

Zu der Frage um die Schließung des französischen Alt-AKW Fessenheim, an dem die EnBW beteiligt ist, mochte sich Renner mit Verweis auf ein „kompliziertes Geflecht“ nicht äußern. Das wollte Sladek nicht akzeptieren: „Die EnBW sagt, sie ist der Maschinenraum der Energiewende. Das wäre doch mal ein tolles Zeichen, wenn sie aufstehen und alles dafür tun würde, damit Fessenheim abgeschaltet wird.“

Janzing kam schließlich noch einmal auf das Thema Energieeffizienz zurück. Er berichtete von Menschen, die auf die Frage nach dem Stromverbrauch nicht mit einer Anzahl an Kilowattstunden, sondern mit einem Geldbetrag antworten. „Viele Menschen haben das Thema Energie noch nicht verinnerlicht“, folgerte er. Da fiel der Moderatorin Walzer denn auch gleich die passende Hausaufgabe zum Schlusswort ein: „Schauen Sie sich bitte daheim alle einmal Ihren Stromzähler an.“  Und: Haben sie schon?

Quelle: EWS- Elektrizitätswerke Schönau